Seit Ende März 2020 bekannt wurde, dass die Achenseebahn in Tirol durch den betriebswirtschaftlichen Konkurs akut von der endgültigen Zerstörung bedroht ist, kämpft ICOMOS Austria in Absprache mit der österreichischen UNESCO-Kommission und der Welterbeabteilung der Republik Österreich um den Erhalt dieses einzigartigen technischen Ensembles. Diese 1886 geplante und 1889 in Betrieb gegangene Zahnrad-Dampfbahn ist Österreichs älteste Anlage dieser Art. Was sie wahrscheinlich weltweit einzigartig macht, ist der bis heute authentisch gehaltene Betrieb derselben mit den Lokomotiven und Wagons des Eröffnungstages. Der sehr eng gefasste, nationale Denkmalschutz in Österreich lässt eine klassische Unterschutzstellung offensichtlich nicht zu. Die UNESCO Welterbekonvention interpretiert im Unterschied zum nationalen Recht jedoch sehr wohl ein technisches Ensemble als zu schützendes Kulturerbe der Menschheit. Daher hat ICOMOS International nun einen sogenannten Heritage Alert ausgelöst, einen weltweiten Apell, dieses seit seiner Inbetriebnahme vollkommen authentisch und integer erhaltene Kulturgut mit allen auf nationaler Ebene zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen und zu erhalten.
Hier können Sie die Stellungnahme von ICOMOS Austria zum Heumarkt Projekt anlässlich des Desired State Of Conservation Reports zum Weltkulturerbe Das historische Zentrum von Wien herunterladen:
ICOMOS Austria wird an der diesjährigen Denkmalpflege-Messe in Salzburg (5. bis 7. März 2020) mit seinem Informationsstand vertreten sein.
Ein besonderer Höhepunkt wird die Vorstellung des 4. Bandes der MONUMENTA-Reihe sein, die von ICOMOS Deutschland, Schweiz, Luxemburg und Österreich gemeinsam seit 2012 herausgegeben wird; ursprünglich lanciert, um wesentliche Dokumente und Texte der ICOMOS-UNESCO-Welt auch in deutscher Sprache zur Verfügung zu stellen. Der aktuelle Band trägt den Titel “Denkmal Grenzenlos – vom Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 zum Europäischen Kulturerbejahr 2018” und stellt dieses Mal Texte aus dem deutschsprachigen Raum auf englisch und französisch vor.
Als Begleitprogramm hält die ICOMOS-Präsidentin am Donnerstag, dem 5. März 2020, um 14.30 Uhr einen Vortrag über ICOMOS und die UNESCO Welterbestätten und am Samstag den 7. März 2020, um 12.30 Uhr spricht Bénédicte Selfslagh (Präsidentin von ICOMOS Belgien Flandern) über die Zusammenhänge der Charta von Venedig und der Davos Deklaration.
Schloss Eggenberg, ab 1625 als Residenz des ambitionierten kaiserlichen Statthalters Hans Ulrich von Eggenberg (1568–1634) errichtet, ist politische Architektur, anspruchsvolle Legitimation für die Herrschaft einer neuen Familie. Das Schloss ist als riesiges Gleichnis erbaut, ein symbolisches Abbild des Universums, in dem der gelehrte Bauherr seine Vorstellung einer idealen Welt in einer Epoche von Chaos und Auflösung formuliert. Als die Familie Eggenberg bereits zu Beginn des 18.Jhs. erlischt, kommt ihr ehrgeiziges Projekt zum Stillstand, bleibt aber als seltenes Beispiel einer Residenz des Frühbarocks nahezu unverändert erhalten. Entscheidend für den Rang von Schloss Eggenberg als Raumkunstwerk ist ein Zyklus von 24 Prunkräumen mit dem großen Planetensaal im Zentrum. In ihnen verbinden sich die Ausstattungsphasen von Barock und Rokoko zu einer aus heutiger Sicht untrennbaren Einheit von besonderem Reiz und ungestörtem Erlebniswert. Der Schlosskomplex ist heute eine Abteilung des Universalmuseums Joanneum. Gebäude und Park sind gleich mehrfach geschützt: als Denkmal, Natura 2000 Europaschutzgebiet und Unesco Welterbestätte. Man könnte meinen, dass es damit ausreichend gesichert sei. Im Alltag erweist sich jedoch der Balanceakt zwischen denkmalpflegerischem Anspruch und Erfordernissen des modernen Museumsbetriebs, zwischen widersprüchlichen Gesetzesvorgaben und Budgetzwängen als tägliche Herausforderung.
Dr. Dr. h.c. Barbara Kaiser ist Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin. Sie hat Kunstgeschichte, Öst. Geschichte und Philosophie studiert und eine Postgraduate Ausbildung am ICCROM (International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property) in Rom absolviert. Sie war Direktorin des Steiermärkischen Landesmuseums und ist heute Leiterin der Abteilung Schloss Eggenberg & Alte Galerie am Universalmuseum Joanneum.
Die Entstehungsgeschichte von ICOMOS in den Dokumenten des Archivs Piero Gazzola
Pia Gazzola
Donnerstag, 05. Dezember 2019
19:00
Hörsaal
7 – Schütte-Lihotzky Hörsaal
TU
Wien
1040
Wien, Karlsplatz 13, Stiege 7, Erdgeschoß
Im Zentrum des Vortrags steht der Italienische Architekt Piero Gazzola, eine Schlüsselfigur in der Entstehungsgeschichte von ICOMOS. Sein umfassendes Privatarchiv wird heute vom Verein „Associazione Archivio Piero Gazzola – AAPG “ (Archivo Piero Gazzola) verwaltet. Als Präsidentin des Archivs stellt Pia Gazzola dessen Bestände vor und rekonstruiert, wie das Archiv in den letzten Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Anhand von Dokumenten des Archivs, die Gazzolas wirken im Italienischen und internationalen Kontext beleuchten, wird die Vorgeschichte der Gründung von ICOMOS im Jahr 1965 dargestellt. Im Mittelpunkt steht schließlich die Frage danach, wie das Werk einer vielseitigen, intellektuellen Figur wie Gazzola als Inspirationsquelle für zukünftige Generationen erhalten werden kann.
Pia Gazzola ist Künstlerin und Restauratorin. Sie hat in Mailand, am ICART in Paris und am „Istituto Centrale del Restauro“ in Rom studiert. Von 1974 bis 2004 war sie als Restauratorin in den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes in Wien tätig. Seit 1986 ist sie freischaffende Künstlerin. Ihre Arbeiten befinden sich heute in bedeutenden, internationalen Sammlungen. Pia Gazzola hat Seminare und Workshop am Cooper Union College in New York und an der CEU San Pablo Universität in Madrid veranstaltet.
Blue Shield Kulturgüterschutz in zivil-militärischer Zusammenarbeit
Karl Habsburg
Donnerstag,
07. November 2019
19:00
Hörsaal
7 – Schütte-Lihotzky Hörsaal
TU
Wien
1040
Wien, Karlsplatz 13, Stiege 7, Erdgeschoß
Die Erfahrungen jüngster (z. B. Afghanistan, Irak, Mali, Syrien) aber auch historischer Konflikte (Erster und Zweiter Weltkrieg) zeigen, dass Kultur ein grundlegender Bestandteil von und eine wesentliche Rolle in bewaffneten Konflikten spielt. Zerstörungen oder Schäden haben unterschiedliche Ursachen, wie Kollateralschäden, militärische Fahrlässigkeit oder auch Vorsatz. In bewaffneten Konflikten oder in Post-Konflikt-Szenarien kann durch die Zerstörung von Kulturgut nicht nur die Identität einer Gruppe von Menschen aus dem lokalen, sondern auch aus dem nationalen oder gar universellen historischen Gedächtnis gelöscht werden. Die Beschädigung und Zerstörung des kulturellen Erbes kann die Zukunftsperspektive einer Gemeinschaft untergraben.
Mit der Anerkennung des Wertes von Kulturerbe und Kulturgut
durch die internationale Gemeinschaft bemüht sie sich seit vielen Jahren um die
Umsetzung rechtsverbindlicher Leitlinien für den Schutz des kulturellen
Eigentums.
Die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei
bewaffneten Konflikten (Den Haag 1954, 1999) bildet dafür die internationale
Rechtsgrundlage. Der Blaue Schild ist ihr unverwechselbares Emblem, um die
Anerkennung des unter Schutz stehenden Kulturgutes zu erleichtern. Gleichzeitig
ist der Blaue Schild – BLUE SHIELD – namensgebend für das internationale
Netzwerk der UNESCO-affilierten Expertenorganisationen (ICOM, ICOMOS, ICA und
IFLA), das sich für den Schutz des Kulturerbes vor Beschädigung, Plünderung
oder Zerstörung während bewaffneter Konflikte einsetzt. Insbesondere auch, indem
es vorbereitende Maßnahmen zur Bewältigung und Reaktion auf Notsituationen
sowie Unterstützung nach der Krise koordiniert. Durch Schulungen zum
Risikomanagement und Sensibilisierungskampagnen für Fachleute und die breite
Öffentlichkeit werden Standards dafür gefördert.
Die Tätigkeit von BLUE SHIELD
als Beratungsorganisation, unter anderem in Zusammenarbeit mit der UNESCO,
ICCROM und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), ermöglicht es
weltweit, Informationen über die Bedrohnung von Kulturgut zu sammeln und
auszutauschen, um im Fall eines bewaffneten Konflikts bei der Ergreifung
geeigneter Maßnahmen zu unterstützen. Schließlich fördert BLUE SHIELD in
Notsituationen den Schutz und die Wiederherstellung von Kulturgut, den Schutz
bedrohter Güter und hilft lokalen Fachleuten,
sich von Katastrophen zu erholen.
Karl
Habsburg, LL.M.,
MLE, MBA, Mitglied des Europäschen Parlaments a.D., hat Rechtswissenschaft,
Wirtschaftsrecht und Betriebswirtschaft studiert. Er ist Berater für
verschiedene Organisationen der UNO, für die OSZE, das IKRK und andere
internationale Organisationen. Er war bis 1996 für die Österreichische
Luftwaffe tätig. Seit 2003 ist er Verbindungsoffizier für den Kulturgüterschutz
an der Landesverteidigungsakademie. Seit 2008 ist Karl Habsburg Präsident des
an die UNESCO angeschlossenen NGO-Netwerks BLUE SHIELD International.
im.materielles Kulturerbe Der Einsatz der UNESCO zur Erhaltung des kulturellen Erbes der Menschheit
Gabriele Detschmann und Sabina Mahr UNESCO Welterbekoordinator Hamburg – Immaterielles Kulturerbe
Schutz und Erhaltung des
kulturellen Erbes sind seit der Gründung der UNESCO eine ihrer zentralen
Aufgaben. Zahlreiche völkerrechtlich bindende Verträge mit weitreichender Verpflichtungen
bilden hierfür das Regelwerk. Ausgehend vom Schutz des materiellen Kulturerbes
(1954, 1972, 2001) wird seit 2003 unter dem Begriff „immaterielles Kulturerbe“
auch den kulturellen Praktiken international „Schutzwürdigkeit“ zugesprochen.
Materielles und immaterielles
Kulturerbe sind immer komplementär. Immaterielles Kulturerbe bezeichnet sowohl
das gewachsene Erfahrungswissen von Gemeinschaften, als auch die dafür
notwendigen materiellen Instrumente, Ressourcen und Kulturräume. Obwohl dieses
Übereinkommen in Ergänzung zum materiellen Kulturerbe gedacht und von diesem
auch grundsätzlich nicht getrennt zu sehen ist, erhebt das immaterielle
Kulturerbe keinerlei Anspruch darauf, außergewöhnlichen universellen Wert für
die gesamte Menschheit zu besitzen. Das immaterielle Kulturerbe hat vor allem
für die jeweiligen Traditionsträger*innen Bedeutung und Relevanz.
Welchen Beitrag das immaterielle
Kulturerbe für den Schutz der Welterbestätten leisten kann und was die
Sichtbarmachung von wenig bekannten Bräuchen und Praktiken impliziert – diesen
und anderen Fragen widmet sich der Vortrag im.materielles Kulturerbe.
„… von außergewöhnlichem, universellem Wert“ Der OUV am Beispiel der österreichischen Welterbestätten
Florian Meixner Österreichische UNESCO-Kommission – Welterbe und Kulturgüterschutz
Den Kern einer jeden Einschreibung in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt bildet das sogenannte „statement of outstanding universal value“. Die Feststellung dieses „außergewöhnlichen, universellen Wertes“ (OUV) einer Stätte oder eines Denkmals ist zum einen die inhaltliche Begründung für eine Aufnahme als Weltkultur- oder -naturerbe, zum anderen die Grundlage für den künftigen Umgang mit dieser Welterbestätte bzw. für deren Management. Am Beispiel der österreichischen Welterbestätten soll das Konzept des OUV und dessen historische Genese analysiert und dargestellt werden.
Seit 1982
feiert die ICOMOS/UNESCO-Welt bereits den IDMS, den International Day of
Monuments and Sites mit dem Ziel, das Bewusstsein für die Vielfalt des
kulturellen Erbes der Menschheit und die für den Schutz und ihre Erhaltung
erforderlichen Anstrengungen zu fördern. Jedes Jahr veranstaltet eine wachsende
Zahl von ICOMOS-Nationalausschüssen auf der ganzen Welt themenrelevante
Veranstaltungen. ICOMOS Österreich beteiligte sich auf Initiative der Emerging
Professionals am 13. April 2019 erstmals an der internationalen Veranstaltung
und bot unter dem Namen „City-Scapes“ Stadtwanderungen durch die Wiener
Stadtlandschaft an.
Treffpunkt
war der an der TU Wien wieder errichtete ICOMOS Stand. Die angebotenen Touren
zur Erkundung der „City-Scapes“ im UNESCO Weltkulturerbe des Historischen
Zentrums von Wien waren seit Wochen ausgebucht. Nach einer kurzen Einführung
der Präsidentin zu ICOMOS, der Charta von Venedig und ihrem Bezug zu ICOMOS
Austria schwärmten die einzelnen Gruppen zu den verschiedenen Stätten aus: den
historischen Holztragwerken der Michaeler-Kirche, dem Zacherlhaus von Josef
Plečnik, der aktuellen Fassadenrestaurierung der Akademie der Bildenden Künste
und abschließend gemeinsam in den Kuppelsaal der TU Wien. Angeregt durch die
fachspezifischen Erkenntnisse und Methoden klang der Abend in bester
Feierstimmung am ICOMOS Stand noch lange nach.