Tentativ-Listen sind die Vorschlagslisten, die die einzelnen Nationalstaaten im UNESCO-Welterbezentrum in Paris hinterlegen. Diese Vorschlagslisten bekunden der UNESCO, welche zukünftigen Welterbestätten sich die Vertragsstaaten aus ihrer nationalstaatlichen Sicht vorstellen könnten. Weil die Logik der UNESCO nicht unbedingt kongruent mit der Logik der Nationalstaaten sein muss, was das gemeinsame Kultur- und Naturerbe der gesamten Menschheit betrifft, sollte im Idealfall ICOMOS als Expertengremium die Nationalstaaten dabei unterstützen, ihre Tentativlisten gemäß der globalen Strategie der UNESCO und auf Basis seines eigenen, international orientierten Expertenwissens zu den potentiellen Stätten zu erstellen.
ICOMOS Austria ist in Absprache mit dem zuständigen Bundesministerium der Republik Österreich diesem Auftrag nachgekommen. Dr.-Ing. Mag. Michael Falser hat im Februar 2021 ein ausgedehntes Gutachten (363 Seiten) fertiggestellt, in dem die beim UNESCO-Welterbezentrum derzeit hinterlegte Tentativliste der Republik Österreich mit der aktuellen Strategie der UNESCO abgeglichen wurde. Aus der kombinierten Überlagerung der nationalen Machbarkeit mit der globalen Welterbe Relevanz des betrachteten Kulturguts empfiehlt das Gutachten, nicht nur die Entnahme oder Aufnahme in die nationale Vorschlagsliste, sondern formuliert auch Empfehlungen für eine weitere Vorgangsweise.
Österreich kommt damit als einer der ersten Staaten der Welt dem im Juli 2020 veröffentlichten Leitfaden der UNESCO in Kooperation mit ihren Expertenbeiräten ICOMOS, ICCROM und IUCN nach, der als „Guidance of Developing and Revising World Heritage Tentative Lists“ im Openarchive von ICOMOS heruntergeladen werden kann.